Wenn gute Kooperationen nicht mehr funktionieren
Niemand hätte das erwartet. Nach jahrelanger konfliktfreier und erfolgreicher Zusammenarbeit muss sich die Firma Schwarz von der Firma Weiß den Vorwurf des Kundenklaus anhören. Firma Schwarz habe heimlich einen Auftrag bei einem langjährigen Kunden von Firma Weiß übernommen und müsse daher einen Anteil des Umsatzes abgeben.
Firma Schwarz ist völlig überrascht und argumentiert, dass es sich beim besagten Kunden um ein ganz eigenständiges Teilunternehmen handle, also um eine Neuakquise. Der Fall sei somit klar und es gäbe keine Grundlage für eine Provision.
Erst kurz zuvor hatten beide Firmen ihre bis dahin eher informelle Zusammenarbeit mit einem Vertrag abgesichert. Damit sollten nicht nur die Rahmenbedingungen für die weitere gemeinsame Entwicklung festgelegt werden. Der Vertrag war auch das offizielle Bekenntnis für die Zukunft. Nach diesem Vorfall war das Vertrauen gründlich erschüttert. Die Vorwürfe konnten nicht aus der Welt geschafft werden. Gleichzeitig wollte keine der Parteien warten, bis es zu einem endgültigen Zerwürfnis kommen würde. Also baten mich die Firmen um eine Mediation.
Was war also passiert, dass die vertraglich abgesicherte Kooperation plötzlich mehr Probleme zu machen schien? Vorher hatten beide Firmen jeden einzelnen Geschäftsfall besprochen und gesondert verhandelt. Jetzt sollten allgemeingültige Regelungen diese Verhandlungen ersetzen und für alle Vorhaben klare Richtlinien liefern. Das war offensichtlich nicht gelungen.
Uneinigkeit bei Selbstverständlichkeiten
Im ersten Schritt versuchten wir also herauszufinden, wo es unterschiedliche Auffassungen gab. Zu der Überraschung aller waren es nicht die komplizierten Sachverhalte, sondern völlig selbstverständliche Begriffe, wie „Auftrag“, „Bestandskunde“ und „Neukunde“. Innerhalb der Firmen bestand Einigkeit, was mit diesen Begriffen gemeint war, aber zwischen den Firmen gab es eklatante Unterschiede. So eklatant, dass es dann niemanden mehr verwunderte, wie es zur Auseinandersetzung gekommen war. Sobald das klar war, konnten wir diese Begriffe so definieren, dass sie für beide Seiten das gleiche bedeuteten.
Eine weitere Unklarheit war der Abrechnungsmodus. Auch hieran hatte beim Kooperationsvertrag niemand gedacht. Weil beiden Firmen daran gelegen war, dem Partner nicht die Butter vom Brot zu nehmen, wirkten sie sehr bereitwillig an einem fairen Provisionsmodell mit. Damit waren alle Lücken geschlossen, die zu der Auseinandersetzung geführt hatten. Ab jetzt hatten Schwarz und Weiß Sicherheit. Das Vertrauen in den Partner war schnell wiederhergestellt. Konflikte in der Kooperation
Interessen statt Positionen
Die Grundlage für die Mediationsarbeit war hervorragend, weil beide Firmen das gleiche Ziel hatten: die weitere erfolgreiche Zusammenarbeit. Damit konnten wir ein gemeinsames Interesse definieren. Beim Streit um die Provision, hatten sie noch um Positionen gekämpft: Mein Kunde; mein Auftrag; meine Provision. Dahinter steckten Ängste vor Umsatzverlusten und die Befürchtung, dass geteiltes Wissen mißbraucht wird. Die Unterscheidung zwischen Interessen und Positionen ist essentiell in der Konfliktverhandlung.
- Interessen sind übergeordnet – Positionen sind die Mittel um die Interessen zu vertreten
- Auch bei entgegengesetzten Positionen, kann man gemeinsame Interessen finden
- Ist ein gemeinsames Interesse gefunden, kann man dieses Interesse auch mit neuen Positionen vertreten
- Die neuen Positionen stehen nicht mehr im Konflikt miteinander
Dieser Mediationsfall war ein Musterbeispiel dafür, was Mediation bewirken kann und warum Mediation das bewirken kann. Zum richtigen Zeitpunkt eingesetzt, hatte sie nicht nur eine langjährige Partnerschaft gerettet, sondern auch Wege zu weiterem Wachstum gezeigt. Während unserer Arbeit haben beide Firmen noch viel deutlicher gesehen, wie wichtig ihnen die Zusammenarbeit ist. Als überraschende Zusatzergebnisse wurden wie nebenbei neue Möglichkeiten der Zusammenarbeit ausgearbeitet. Bei beiden Firmen hatte ich das Glück, auf große Kooperationsbereitschaft zu treffen. Dazu kam die Bereitschaft, den Blick auf die Zukunft zu richten. Mit diesem Blick war es ihnen möglich, die vergangenen Versäumnisse als Grundlage für Verbesserungen zu erkennen und zu nutzen. Konflikte in der Kooperation
Störfaktor oder Chance?
Die Sichtweise auf Konflikte macht den Unterschied: wer Konflikte nur als eine lästige Störung sieht, dem ist daran gelegen, so schnell wie möglich wieder „normale“ Zustände zu bekommen. Der Konflikt wird als etwas emfpunden, das den Alltag aus der Bahn wird. Etwas, das nicht zum Alltag gehört, das nicht sein darf. Diese Sichtweise ist der Grund, warum viele Konflikte lange ignoriert werden. Oder aber möglichst schnell beseitigt werden. Man wischt sozusagen einmal flott über den Tisch, schaut aber nicht, in welchem Zustand sich die Schubladen unter dem Tisch befinden. Das wäre ja eine Zusatzaufgabe, um die man sich kümmern müsste. Hinter dieser Persepektive steckt die Angst, dass man Konflikte sowieso nicht lösen kann, oder bestenfalls zum eigenen Nachteil.
Wenn Sie es dagegen schaffen, den Konflikt bewertungsfrei zu sehen, dann haben Sie sehr gute Chancen auf eine Lösung, die mehr kann, als den Konflikt zu bereinigen. Menschen, die Konflikte zunächst nur als Signal verstehen, können die Situation zu ihrem Vorteil (und dem Ihres Konfliktpartners) nutzen. Dann stehen alle Wege offen, es gibt keine Denkverbote und so zeigen sich oft ganz unerwartete Lösungsmöglichkeiten.
Falls Schwarz und Weiß sich nochmal in einer ähnlichen Situation wiederfinden, wissen sie jetzt, dass sie auch diesen Konflikt gemeinsam lösen können. Für das gegenseitige Vertrauen ist das ein enorm wichtiger Baustein. Konflikte in der Kooperation
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